LOVEmber 2020 #25

Wo ich gerade stehe – das ist die Tagesaufgabe. Die eine oder der andere wird es mittlerweile zwischen den Zeilen herausgelesen haben: ich befinde mich auf Reha. (Ja, ich ertappte mich irgendwann dabei, „auf Reha“ zu sagen, als sei ich zB auf Niederlangenberg. Das scheint eine regionale Besonderheit meines rheinisch-bergischen Wortschätzchens zu sein, andere … äh, Pronomen? zu verwenden als die hochdeutsche Sprache es üblicherweise tut. Tuten tut die Tute! Lassen wir das.)
Ich bin also auf Reha. Dies dient der Besserung psychischer und psychosomatischer Beschwerden, was, die Namen lassen es ahnen, eng miteinander verknüpft ist. Unter anderem geht es da um den Stress, in dem ich mich im Lauf der Jahre eingeschnürt hab wie eine Rokokodame in ihr Korsett. Der Vergleich klingt seltsam, wer würde sich in so etwas nutzloses und unangenehmes freiwillig einschnüren? Aber mit jedem Zusammenreißen habe ich mich ein bisschen weiter reingeschnürt. Seit der Halbzeit der Reha merke ich, wie der Stress nachlässt. Es funkelt wieder in mir. (Das hat mal Freundin R. über mich gesagt, dass an mir und meiner Jesus-Beziehung etwas Besonderes sei und sie hat es als Funkeln beschrieben. Ich hatte nicht gewusst, dass es weg war, bis ich merkte, dass es wieder da ist.)

Ich habe angefangen, die kleinen Dinge wertzuschätzen.
Moment, sagst du vielleicht, Frau Vorgarten, die Oberwertschätzerin der kleinen Dinge (sie würde ja nicht solche Fotos machen und solche Gedanken denken, hätte sie keinen Blick für all die Wunder am Wegesrand), also ausgerechnet Frau Vorgarten … hä? Doch nicht sie! Warum in aller Welt?
Ja, bei den kleinen wertzuschätzenden Dingen geht es eben nicht um die Wunder am Wegesrand, sondern um die kleinen Erfolge, die ich erreiche. Die Zeitplanung für einen Termin so zu machen, dass ich pünktlich ankomme. Außerhalb der Reha also inklusive Parkplatzsuche. Womöglich inklusive anderer Verkehrsteilnehmer. Und nicht zur halben Strecke Jesus anflehen müssen, dass er das Zeit-Anhalten-Wunder tut. Das hat er schon oft gemacht, in zehn von neun Fällen, weil mein Zeitplan schlecht war, und ich, wenn pünktlich, völlig gehetzt angekommen wäre.
Und wenn es nicht geklappt hat, mich trotzdem nicht in Grund und Boden zu schimpfen, sondern mit mir selbst gnädig sein und es beim nächsten Mal erneut versuchen.

Sei nett zu Frau Vorgarten!

Das geht jetzt nicht an dich (gleichwohl du selbstverständlich nett zu mir sein darfst, sei ganz frei, wenn du mir eine Freude machen willst – zum Bleistift mag ich Likes, aber noch mehr mag ich Kommentare :D), … sondern an mich. Nicht nur die großen Siege feiern, sondern halt auch die kleinen. Je einen habe ich gestern und heute errungen: beim therapeutischen Bogenschießen und beim kreativen Werken habe ich meist ein Getränk dabei und nehme die Flasche hinterher mit keinem Milliliter weniger wieder zurück. Beim Bogenschießen habe ich so oft kleine Unterbrechungen gemacht, bis die Flasche leer war, und heute ist es mir fast wieder gelungen. Das Lob gilt der Tatsache, dass ich mir Zeit genommen habe, eine Pause zu machen.
Mehr Pause = weniger Stress = gut so!

Die Krönung von Selbstachtsamkeit und auf-den-Körper-hören wird wahrscheinlich sein, die nächste akute Depressionsphase zu erkennen, wenn sie beginnt, und nicht erst 3-4 Monate später feststellen, dass es mir seit Wochen mies geht und ich ziemlich ausgebrannt bin und eine große Sukkulente ersoffen ist, während eine kleine Phalaenopsis verdorrt ist oder umgekehrt (alles schon vorgekommen). Erkenne ich so eine Depression nämlich schon in ihren Anfängen, muss ich ja gar nicht so lange weiterrödeln, bis die Karre bis zu den Spiegeln im Dreck steckt.

Also, da stehe ich noch nicht. Aber ich habe das Ziel fest im Blick.

Erzähl ma – wo stehst du eichentlich so rum?

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