Das Wetter ist herrlich.
Ich atme die salzige Luft tief ein. Sie prickelt in meinen Lungen, ich fühle beinahe, wie die Blutkörperchen sie aufnehmen und in die kleinsten Zipfel meines Körpers transportieren. Und je mehr von dieser salzhaltigen Frische durch mich pulst, desto besser geht es mir.
Das Lächeln, das mich in den letzten Tagen verlassen hatte, ist auf einmal wieder da. Es lockert meine angespannten Gesichtsmuskeln.
Eine kräftige Brise strafft das dunkelbraune Segel, kleine weiße Wölkchen stehen am blauen Himmel. Am östlichen Horizont sind dicke Wolken wie auf Gemälden von Jan Vermeer zu sehen, aber die stören mich nicht. Der Wind kommt stetig von West bis Südwest. Das ist genau mein Kurs, denn um das IJsselmeer verlassen zu können, muss ich nach Nordost segeln.
Und kaum, dass ich Zuyderkerks süße Silhouette hinter mir gelassen habe, geht mir auf, warum das Besser-Gehen genau jetzt angefangen hat. Das ist es doch, wovon alle Getrennten, Geschiedenen, Verlassenen immer reden: Sie brauchen Abstand! Warum bin ich bloß nicht eher auf diese Idee gekommen?
Der Abstand zwischen Helena und mir wird schnell größer.
Ein paar Seevögel machen sich den Fahrtwind der Kaap Hoorn zunutze, um ein Stück energiesparend übers IJsselmeer zu segeln. Sie fliegen mit nicht einmal drei Metern Abstand hinter mir her. Es sind sechs Heringsmöwen im braunweißen Jugendgefieder.
Sie sind perfekt auf ihre Umwelt eingerichtet. Die Körper stromlinienförmig, die Federn wasserabweisend und die Knochen so leicht, dass sie mühelos weite Strecken zurücklegen können – und dabei stabil genug, um auch harte Stürme und schwere See zu überstehen.
Und noch dazu sind sie nicht einfach so „irgendwie“ gestaltet, sondern jede Feder hat ihr eigenes Muster. Jede Möwe ist ein Unikat. Sie sehen hübsch aus mit ihren schwarzen Knopfaugen, sinniere ich, als sie auf ein geheimes Signal abdrehen und mit kraftvollem Flügelschlag im Sonnenschein verschwinden.