Der letzte sichere Raum

Cemal Kemal Altun (* 13.4.1960 in Samsun/Türkei; † 30.8.1983 in West-Berlin) war ein türkischer Student, der sozialistischen Kreisen nahe stand und nach mehreren Zusammenstößen mit der Polizei zu seiner Schwester nach West-Berlin flüchtete. Weil die türkischen Behörden ihm eine Beteiligung an der Ermordung eines Politikers unterstellten, beantragte er kurz darauf politisches Asyl in der Bundesrepublik Deutschland.
Dennoch wurden der Staatsschutz und das BKA informiert und diese fragten ihre türkischen Kollegen, ob ein Auslieferungsantrag gestellt werde, was umgehend geschah.
Aus Angst vor der Ausweisung stürzte Altun sich aus dem Fenster des Gerichtsgebäudes 25 Meter in die Tiefe und verstarb. In der Türkei hätte ihn der Tod durch unmenschliche Haftbedingungen, Folter oder Hinrichtung erwartet.

Sein Suizid wurde von damaligen Regierungspolitikern des Kabinetts Kohl I als bedauerlicher Einzelfall abgetan – ich gehe allerdings davon aus, dass Altuns Tod einer von vielen war. Seiner war nur der erste, der bekannt wurde, und es folgten weit über hundert vergleichbare Fälle.
Das schreckliche Ereignis führte u.a. dazu, dass das Kirchenasyl in Deutschland wieder eingeführt wurde.

Die Praxis, an sakralen Orten Zuflucht zu gewähren („Heiligtumsasyl“) reicht bis in die vorchristliche Antike zurück und hat Eingang in nahezu alle Kulturen gefunden. In Deutschland konnten Geflüchtete bis ins 16. Jahrhundert hinein Schutz in kirchlichen Gebäuden finden, doch mit dem Machtverlust der Kirche durch den aufkommenden Humanismus wurde es immer stärker eingeschränkt.
Rechtlich festgeschrieben wurde das Kirchenasyl nie, es handelt sich von Alters her um eine traditionell stille Übereinkunft zwischen Kirche und Staat. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche befanden sich Anfang Dezember 2023 bundesweit 643 Menschen im Kirchenasyl.

Heute ist das Kirchenasyl wieder in Gefahr. In Mecklenburg-Vorpommern kam im Dezember 2023 ein bewaffnetes Sondereinsatzkommando zum Einsatz, um eine afghanische Familie aus einem Kirchenasyl abzuschieben. Im Mai stürmte die Polizei in Niedersachsen eine Kirche, um eine Abschiebung durchzuführen. Auch in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz gab es Räumungen – und das, obwohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erklärt hat, dass die Behörden das Kirchenasyl respektieren.

Damit solche Rechtsverstöße in Zukunft unterbleiben, hat die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. eine Petition gestartet. Du findest sie hier: „Hände weg vom Kirchenasyl!“.
Bitte unterzeichne und leite die Petition zahlreich weiter!
Wer weiß, wann du mal selbst Kirchenasyl in Anspruch nehmen musst …

Quellen:
Wikipedia zu Cemal Kemal Altun, Kirchenasyl
WeAct-Petition zur Sicherung des Kirchenasyls
mein Gehirnskasten

4 Gedanken zu „Der letzte sichere Raum

  1. Avatar von gerlintpetrazamoneshgerlintpetrazamonesh

    Ja, unbedingt. Wenn ich auch so am Rande anmerken darf, dass das beispielsweise in der Türkei dann nicht klappen würde, wenn jemand dorthin flieht. Oder ob es einem Assange angemessen gewesen wäre. Aber das sind erst einmal, erst recht für die Betroffenen, Nebensächlichkeiten.

    Die Bundesrepublik Deutschland war schon, bevor Berlin wieder einmal deutsche Hauptstadt wurde und Kriege unter deutscher Beteiligung geführt wurden, nicht mehr dieselbe, an die die Gründungsväter und -mütter, die das Grundgesetz bastelten, gedacht hatten. Sie hat sich sehr verändert. Vielleicht auch die Parteien? Die CSU hatte in ihren Anfängen geradezu dezent sozialistische Züge, die FDP stand einmal für Freiheit. Die Rechtsradikalen tarnten sich noch nicht mit falschen Farben Grinsehaken. Und so weiter.

    Die Bundesrepublik Deutschland gewährt Asyl? Pustekuchen.

    Kirchen zu stürmen setzt dem ganzen noch die Dornenkrone auf. Das ist so stillos!

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