Holsteiner Treppe: #8 Angst

Neulich schaute ich bei Arte (Name, Format, Link, verfügbar-bis: nix notiert, schullijung) eine Sendung über Utopien und Dystopien. 

Beide haben gemeinsam, dass sie sich mit der Frage „Was wird in der Zukunft sein?“ befassen, allerdings geht die Utopie vom besten und die Dystopie vom schlimmsten Fall aus.
So gesehen ist jeder futuristische Kino-Blockbuster eine Dystopie, oder hast du zwischen „Das fünfte Element“ und „der Schwarm“ einen einzigen Streifen gesehen, der ein Idealbild der Zukunft entwirft, ein Paradies, Bullerbü für Große, und nen Spannungsbogen brochemernit?¹
Dazu fällt einem ja nur die Wertung „voll unrealistisch!“ ein – aber sind Megawellen, die ganz New York in Einem verschlingen etwa realistischer, selbst in Zeiten des Klimawandels?

¹ = brauchen wir nicht

Was die meisten Katastrophenfilme eint: es sind Heldensagas. Ein ganz normaler Mensch (na ja gut, bislang kann man diesen in elf von zehn Fällen Mann nennen – Heldinnen kommen erst seeehr langsam in Mode) übernimmt eine große, selten zu überblickende Aufgabe, wird angefeindet, schmutzig und blutbefleckt, steht seinen Mann (wahrscheinlich waren Heldinnen deshalb bislang unpopulär: die möchten nicht schmutzig werden und sind ja lieber beim Pilates oder im Nagelstudio, das will keiner sehen, ha, ha) und besiegt den Bösewicht, sodass der Rettung von Gesellschaftsordnung oder Menschheit (je nach Anspruch) nichts mehr im Wege steht.

Aber woran liegt es, dass Dystopien an der Kinokasse so viel besser laufen als zB Filme übers Bäume pflanzen in der Sahel (oder jedwedes andere friedliche, einer besseren Zukunft zugewandte Thema)?
Vermutlich ist es die Angst der Leute vor ihrer Lebensrealität.
Wir brauchen Helden, die für uns den Karren aus dem Dreck ziehen.
Wir müssen uns vergewissern, dass es am Ende doch gut ausgeht.

Sind all diese Filme also heimliche Utopien, immerhin glänzen am Ende ja Sonnenaufgang, Hoffnung und das Lächeln der holden Geretteten über den rauchenden Trümmern? Aber braucht man dafür wirklich erst anderthalb Stunden Endzeitstimmung?

Was in der Doku gesagt wurde und mir seitdem immer mal im Kopf rumspukt:
„Wir brauchen mehr Utopien.“
Und es stimmt, wir müssen mehr auf das Positive gucken. Sehen wir nur noch Frust und Machtlosigkeit und haben Wut im Bauch und sind unzufrieden, gehören wir eines Tages womöglich auch zu denen, die sich abgehängt fühlen und wie Deutsche zweiter Klasse und ᵷǝsᴉɔɥǝɹʇ ᖈǝɔɥʇsǝxʇɹǝɯǝ wählen – soweit sollte es wirklich nicht kommen!
Also weg mit denen, die sich bereichern wollen an unserer

Angst.

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Ich gestehe:
(derweil es nix zu gestehen gibt)
Dies ist ein Text aus der groooßen Schublade mit der Beschriftung „fertig geschrieben, undatiert“, a.k.a. Archiv². Hier und da hab ich was angepasst und umgestellt oder Verben neu verteilt … wie es so ist mit Archivschätzen.

² apropos: hallo wördpress!! Wie wär’s, neben der vorhandenen Ordnerordnung von veröffentlicht-Entwurf-geplant und Papiertonne auch noch ein Archiv einzuführen? Oder einfach ne leere Mappe für die freie Nutzung all der Nutzer, die sie haben wollen? Das würde das Chaos in meinen Ordnern „Geplante“ und „Entwürfe“ deutlich reduzieren.

Die Angelegenheit mit der Holsteiner Treppe ist (wie auch schon #6) eine Idee von Herrn Grinsekatz, der sich damit selbst zum wieder-mehr-schreiben anhalten will. Besondere Maßgabe: alles in maximal 500 Zeichen zu tun. Da bin ich geringfügig drüber, brauchst nicht mit Zählen anzufangen.
Ich hatte übrigens kurz überlegt, dat Janze auch noch mit der Gerechtigkeit am Achten zu verbinden, da ja heute der 8. ist und es am Rande der Heldensagas auch immer ums feministische Menschenbild der Gesellschaft geht (bzw. in besagten elf von zehn Fällen um ein sehr antiquiertes Frauenbild, weil sie halt immer wartet, bis sie gerettet wird), aber das passte echt nicht mehr unter diesen Hut.
Die gibt’s dann morgen.
Wahrscheinlich.

5 Gedanken zu „Holsteiner Treppe: #8 Angst

  1. Avatar von Cynthia alias RübenigelCynthia alias Rübenigel

    Ich werfe noch einen Krumen zum Thema Dystopie und seine Faszination hin: Vielleicht ist es auch das Second-Hand-Überleben, das denjenigen, die sich so etwas anschauen, Genuss bereitet? Oder auch, dass man sich nach so einem Buch oder Film die Geschichte erzählen kann, dass „es uns ja noch richtig gut geht“, wir „Glück haben, so etwas nicht auch noch erleben zu müssen“.

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