8. März: Weltfrauentag.

Je mehr ich mich mit meiner „Gerechtigkeit am Achten“ befasse, und je mehr Ungerechtigkeit gegenüber Frauen mir darüber bewusst wird, desto mehr klingt „Weltfrauentag“ für mich, als sei irgendwie alles Wichtige erreicht, als könne man (ja, Mann vor allem) sich entspannt zurücklehnen und als diene der Tag nur noch dem Gedenken. Früher hatten Frauen kein Wahlrecht und durften kein Konto eröffnen ohne die Einwilligung des Ehemannes, aber jetzt ist das alles geregelt. Und am 8. Mai erinnert man sich ans Ende des 2. Weltkriegs.
Als wäre der Equal Pay Day nur noch eine Randnotiz der Geschichte. Und als gäbe es keine sog. „Frauenberufe“ mehr, sondern als gäbe es in allen Berufsfeldern gleich viele Frauen und Männer.*
Als wüssten alle Männer, dass Feminismus Gerechtigkeit für alle bedeutet und Gleichberechtigung Menschenwürde ist.
Als würde kein Mann auf die [wahnsinnig lustige] Idee kommen, einen „Weltmännertag“ zu fordern. Zum Ausgleich, haha.
Als würden Männer ihre Körperteile in der Öffentlichkeit genauso oft erwähnen oder vorführen wie Frauen das tun.
Als würde nicht jeden Tag ein Mann versuchen, seine (Ex-)Partnerin umzubringen, und nicht, als hätte jeden dritten Tag dieser Versuch auch Erfolg.
Als gäbe es keine Anwält:innen*° mehr, die ihre Klienten aus einer Anklage auf „schwere Körperverletzung“ mit Bewährungsstrafe raushauen, oder eine Mordanklage auf Totschlag reduzieren. Weil ja zu einem „Streit“ immer zwei gehören.
Als wäre es egal, welche Kleidung eine Frau trägt, wenn sie tanzen geht. Und als wäre egal, zu welcher Uhrzeit sie dann noch auf der Straße ist.
Als bräuchte man nicht mehr darüber zu diskutieren, dass ein „Nein“ wirklich NEIN bedeutet.

Als würde es keine Werbung mehr geben, in der sinnfrei eine junge Frau abgebildet ist, nur damit die Zielgruppe hinguckt.*¹
Als wäre es okay, allen Frauen der Belegschaft am 8. März frei zu geben, damit sie auf die Demo gehen können. Oder halt nicht, denn sie haben ja frei.
Als würden Männer genauso wie Frauen im Einstellungsgespräch gefragt, wie es denn mit der Familienplanung aussieht. Bis die Frage uninteressant wird und sie aus dem Fragenkatalog fliegt.
Als würde es reichen, einmal im Jahr Blümchen in der Fußgängerzone zu verteilen oder 10e an das Frauenhaus der Stadt zu spenden. Wenn überhaupt.

„Okay, ich hör auf mit dem, was du „Sexismus“ nennst, aber dann musst du auch mit deinem dauernden Feminismus aufhören!“

Der Weltfrauentag ist erreicht, wenn wir keinen mehr brauchen.
Und keine Frauenhäuser mehr. Weil es keine Tage 1 und 2 mehr gibt, an denen ein Mann versucht, seine (Ex-)Partnerin umzubringen, und den 3. Tag erst recht nicht mehr.
Wenn Frauen nicht mehr bis zum 7.3. für umme arbeiten müssen, denn so lange dauert es im Jahr 2025, bis die errechnete Lohnungleichheit überwunden ist.*³
Wenn Frauen nicht aufgrund von mies bezahlten oder teilzeitigen Jobs (wegen Kindern, zu pflegenden Angehörigen, …) die Altersarmut droht.
Wenn Kinder alleinerziehender Mütter (und Väter!) kein fünfmal höheres Armutsrisiko mehr haben als Altersgenossen, die in einer intakten Familie aufwachsen.
Wenn Bildung keine Geldfrage mehr ist.
Wenn die Chance auf einen Job nicht mehr von Adresse, Aussehen, Vorname, Geschlecht etc. abhängig ist.
Wenn Prostitution endlich verboten ist – und nicht die Frauen, sondern die Männer bestraft werden. Und wenn der Sex-Menschenhandel, mit dem in Deutschland richtig viel Kohle gemacht wird, zum Erliegen kommt.
Wenn Leute, die menschenverachtend daher reden, aus einer Partei geschmissen werden, die sich „christlich“ nennt, denn der Grundgedanke des Christentums ist die Nächstenliebe. Nebenbei sollten solche Menschen aus jeder demokratischen Partei geschmissen werden, denn der Grundgedanke der Demokratie … sach ma, muss ich das wirklich aufschreiben?!*4
Wenn Männer sich nicht länger von Feminismus oder starken Frauen bedroht fühlen.
Wenn wir kein Gewalthilfegesetz mehr brauchen. Und keine Istanbulkonvention.
Wenn Leute mit wenig Geld nicht länger sozial schwach genannt werden.
Wenn ein Staat sich entschließt, endlich das Bedingungslose Grundeinkommen einzuführen, auch wenn sich manch einer nicht vorstellen kann, dass dann noch irgendwer zur Arbeit geht.
Wenn ein Leben ohne Armut möglich ist, und das ohne sich bis zum Zusammenbruch abzurackern und vom Wechsel der Jahreszeiten – oder dem Aufwachsen der Kinder – nichts mitzubekommen.
Wenn niemand mehr wegen Adresse, Aussehen, Vorname, sexueller Identität, Alter, Leistungsfähigkeit, Kinderreichtum, keiner Kinder, Gewicht oder voriger Arbeitsstellen diskriminiert wird. Außerdem sei jedem Menschen die Möglichkeit eingeräumt sich zu ändern. Also gehören auch politische Ansichten und Vorstrafen*5 in die Liste.
Wenn Würde kein Privileg einer reichen Elite ist.
Wenn ein Mann, der Frauen belästigt, nicht mehr Präsident werden kann (egal wovon, ob Staat oder Karnickelzüchterverein), und ebenso wenn ein Mann, der öffentlich dazu steht, „keine Frauen in seinem Kabinett“ zu brauchen, nicht mehr Bundeskanzler werden darf.*6
Wenn Menstruationsprodukte endlich von der MwSt befreit sind und nicht nur die Summe, die man bei Tampons nicht mehr einnimmt, auf Binden umgelegt wird.
Wenn Rohkost nicht mehr davon abhängig ist, wie viel Geld im Haushalt vorhanden ist – auch gegen Monatsende.

Wenn sexuelle Übergriffe von Glotzen bis Vergewaltigung bestraft werden. Und das Vergehen von einer Polizistin zu Protokoll genommen wird, ggf von einer Ärztin dokumentiert.
Wenn Frauen keine Scham über die Tat empfinden.
Wenn Frauen nicht länger nur von Übergriffen erzählen, sondern wenn sie endlich auch gehört werden.
Wenn Frauen nicht mehr reflexhaft unterstellt wird, sie hätten sich das ausgedacht, wollten jemanden diskriminieren, seien selbst dran schuld, weil sie die falsche Kleidung, Frisur, am falschen Ort, zur falschen Zeit, den falschen Schwung in der Hüfte oder was auch immer gehabt, getan, gewesen, geblieben, gelassen – –

= wenn die Welt ein guter, gerechter Ort geworden ist.

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* übrigens steht auch nicht in der Bibel, dass Frauen in Pflege, Erziehung und anderen sozialen Berufen arbeiten sollen. Wurde mir in einer meiner Phasen berufsorientierischer Unsicherheit mal gesagt, und ich so, äh, nee?!
*° ja, auch Anwältinnen tun sowas
*¹ Bischifo mit ganz anderen Buchstaben als „Solarnachrichten“ im Link. Wer weiß, wo man da rauskommt, möglicherweise eher bei jungen Frauen als bei staubigen Dachböden
*² der Satz ist meiner Fantasie entsprungen. Was nicht bedeutet, dass er unrealistisch wäre.
*³ Auch im Jahr 2022 war es der 7. März. (seriöse Quelle)
*4 also gut … Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Um das zu wissen, braucht man kein Lexikon, es steht nämlich am Reichstagsgebäude dran, siehe Foto unten
*5 die Vorstrafen in diese Liste aufzunehmen hat mich echt Überwindung gekostet – obwohl ich diesbezüglich mit sehr exklusiven Ansichten aufgewachsen bin
*6 Quelle: „quer vom BR“, siehe Bischifo rechts
~~> Das Bild mit der weisen alten Frau ist auch ein Bischifo = Bildschirmfoto. Deren Rechte sind mir alle unbekannt. Das Foto ist von mir.

dem ganzen deutschen Volke. Nicht nur der Hälfte.

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Wirklich zum Heulen, zum Kotzen, zum Ausrasten:
Der Artikel hat mich die Freitagnacht gekostet und ich dachte, ich hab alles beisammen. Aber ein bisschen Sudoku gespielt und die Werbum mit der jungen Frau auf dem Dachboden gesehen, Zeitung gelesen und auf Ungerechtigkeiten gestoßen, an die mich nicht schon mein Blog erinnert hatte, Anja Reschke geguckt und mir fällt die Istanbulkonvention wieder ein, bisschen hier und bisschen da, und überall springt es mich an, wie sehr die Gesellschaft auf Männer zugeschnitten ist, wie verbissen sie an ihrer Macht festhalten (warum eigentlich? Was fürchten sie zu verlieren? Noch nie von „Teile und herrsche“ gehört? Nicht mal von „Teamwork“??) und wie leicht die Würde einer Frau in all dem untergeht.
Nennen wir den Tag wie es die Linken, Sozialisten und Kommunisten tun:

Frauenkampftag.

Es gibt noch viel zu kämpfen.

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