alles feige Faulpelze? („Kann ich ja nicht wissen!“)

Es gibt Leute, die sich abfällig über geflüchtete Ukrainer:innen äußern. Ich hab mir drei Aussagen rausgepickt, die zu den häufigsten gehören.

1.Die Männer sind alle nur hier, weil die den Schwanz eingezogen haben, die wollten nicht an die Front.

2.In Deutschland braucht keiner zu arbeiten, das ist allgemein bekannt. Sonst wären die ja zuhause geblieben. Ich hab ein Video gesehen aus Lwiw, da wird ganz normal in Clubs gefeiert, da ist kein Krieg. Ich war schon mal in der Stadt, ich hab die Straßen erkannt!

3.Wozu braucht eine alleinstehende Frau sofort ne eigene Wohnung? Ich hab Freunde, die suchen schon seit anderthalb Jahren nach einer!

Wenn du auch oft mit solchen Meinungsmachern zu tun hast, kannst du vielleicht in Zukunft die polemischen Aussagen mit etwas mehr Wissen abfedern und in ein konstruktives Gespräch umleiten:

3.Das mit der Wohnung ist definitiv ungerecht. Total. Und ich kann es echt verstehen, dass sich darüber Neid entwickelt. Aber wird irgendwas besser, wenn man dann schlechte Stimmung macht?

2.Natürlich gibt es Ukrainer, die nicht zum Arbeiten hergekommen sind. Die gibt es in jeder Gesellschaft (auch bei Deutschen kommt das vor). Aber die, mit denen ich bisher zu tun gehabt habe, sind fleißig, lernen deutsch, wollen niemandem zur Last fallen und suchen sich Jobs.
Und klar wird auch zu Kriegszeiten gefeiert! Wenn plötzlich unkontrolliert Bomben vom Himmel fallen, ist das Leben ein kostbares Geschenk! Das wird nicht nur in Lwiw so sein, sondern auch in anderen Städten im westlichen Teil des Landes, und in Kyjiw genauso. Man kann keine 1.196 Tage (oder 4.114 Tage) bedrückt rumlaufen, auch wenn Menschen verwundet werden oder sterben. Das erträgt keine Seele.

1.Und die ukrainischen Männer – na klar wollen die nicht alle an die Front. Oder wie hoch ist bei dir so die Bereitschaft angesiedelt, monatelang bei brütender Hitze bzw. eisigem Frost in Dreckslöchern oder Ruinen auszuharren, um irgendwas zu verteidigen, rund um dich herum Verwüstung, Gewalt, Hunger und Tod, womöglich selbst verwundet werden und dein Leben riskieren?
Übrigens sind all jene Ukrainer vom Wehrdienst ausgenommen, die über 60 sind. Und die, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Und die, die drei oder mehr Kinder haben. Vor allem letztere waren Frühjahr 2022 aufgerufen, die Familie zu nehmen und die Zukunft des Landes in Sicherheit zu bringen.

5 Gedanken zu „alles feige Faulpelze? („Kann ich ja nicht wissen!“)

  1. Avatar von madeinheaven1madeinheaven1

    Sehr guter Beitrag.
    Man sollte sich, bevor man irgendeine Meinung äußert, sich mal fragen: was würde ich machen? Will ich lieber in meiner Heimat leben und vielleicht irgendwann durch einen Angriff sterben, oder will ich, irgendwo,wo ich niemanden kenne, versuchen im Frieden zu leben.
    Es ist nicht leicht eine Entscheidung zu treffen. Wenn sie dann getroffen wurde, sollte man den Betroffenen aber nicht noch Knüppel zwischen die Beine werfen.

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  2. Avatar von gerlintpetrazamoneshgerlintpetrazamonesh

    Ich kann zu den ersten drei Punkten noch etwas hinzufügen. Wenn hier Autos mit ukrainischen Kennzeichen herumfahren, dann sind es fette Audi – SUVs oder ähnliche. Sollte…? Nun, wir wissen, dass, wo Krieg ist, auch die Kriegsgewinnler nicht weit sind – mehr oder weniger wird der Krieg ja auch wegen diesen geführt. Und sterben, das übernehmen andere. Und dass die Ukraine und nicht nur die ein riesiges Problem mit Korruption hat, das ist ebenfalls bekannt.
    Aber das ändert nichts, überhaupt nichts daran, dass dort ein grausamer Krieg tobt. In dem ich nicht sein möchte. Weder als Zivilist, auf den irgend so eine blöde Bombe fällt, noch als uniformierter Mensch, der andere Menschen totschießen soll, nur weil die eine andere Uniform tragen und ihrerseits schießen sollen. Nichts davon ist erstrebenswert und seltsam genug, die selben Leute, die den Ukrainer schimpfen, dass er ein Feigling (??) ist, weil er nicht in irgend einem schlammigen Schützengraben robbt, sind dieselben, die die gegenwärtige Rüstung für unnötig halten, weil der Putin doch lieb ist.
    Ich mag die Aufrüstung auch nicht, aber aus ganz anderen Gründen. Den Mann in Moskau hielt ich noch nei für einen netten Herrn. Allerdings versäumte man es seinerzeit und damit rechtzeitig, ihm zu sagen, dass man nicht in Berlin Leute totschießen und in England drüben mit Giftgas behandeln darf und es Folgen hat, wenn man das tut. Es hatte keine und so hat er weitergemacht. Und hat nach wie vor seine Freunde hier, die ihm das Wort reden.

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    1. Avatar von VorgärtnerinVorgärtnerin Autor

      Der Punkt mit den Autos stimmt nicht. Es gibt auch ukrainische Kleinwagen und ganz normale Autos.
      Allerdings endet der westeuropäische Straßenkomfort irgendwo am östlichen Ende Deutschlands, und die Straßen, Schotterpisten und Schleichwege zb von Charkiw (etc) nach Deutschland halten hochwertige Fahrzeuge besser aus als ein Kleinwagen, der vielleicht ohnehin schon einige Jahre auf dem Blechbuckel hat – weshalb die alten kleinen Autos nicht sonderlich präsent sind.

      Ja, es gibt auch solche, denen der Krieg in die Karten spielt. Und ja, es gibt auch viel zu viel Korruption. Überall.
      Aber das sind ja keine Punkte, die Leute vom Lästern und Schimpfen über Ukrainer abhalten können.
      Und darum ging es doch in meinen drei Punkten.
      Oder?

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      1. Avatar von gerlintpetrazamoneshgerlintpetrazamonesh

        Richtig, darum geht es immer. Darum, dass man alles Mögliche, richtig oder nicht, feststellen und behaupten kann. Ohne dass das Leid der Menschen in der Ukraine, im Kongo, in Afghanistan oder sonstwo damit gemessen oder gewürdigt wird. Sondern nur das alte Mühlrad angetrieben wird, das schäbige Ding des Neides auf unterstem Niveau.

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